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Datenschutz und Inkasso: Wenn sich letztlich doch der gesunde Menschverstand durchsetzt

Nicht immer liegt die Aufsichtsbehörde mit ihrer Einschätzung richtig

Willkommen zu einem weiteren Einblick in den Datenschutz, diesmal mit Fokus auf Tierärzte. Doch die Erkenntnisse aus diesem Fall können auch auf andere Branchen übertragen werden.

Stellen Sie sich vor, Sie haben eine umfangreiche Behandlung an einem Tier durchgeführt. Mit dem Tierhalter wurde spätere Zahlung auf Rechnung vereinbart. Doch dann bleibt die Rechnung unbezahlt. Was tun? Dürfen Sie die personenbezogenen Daten des Tierhalters ohne seine Einwilligung an ein Inkassobüro weitergeben?

Genau diese Frage musste ein Tierarzt beantworten, dessen Fall schließlich vor Gericht landete und wichtige Impulse für den Datenschutz setzte.

Der konkrete Fall

Im Mittelpunkt des Falls stand ein Tierarzt, dem ein Kunde die Behandlungsrechnung nicht bezahlt hatte. Der Tierarzt entschied sich, die offene Forderung an eine tierärztliche Verrechnungsstelle abzutreten. Dadurch wurden bestimmte personenbezogene Daten des säumigen Tierhalters an die Verrechnungsstelle übermittelt, um das Inkasso durchzuführen.

Der Tierhalter beschwerte sich beim Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz (LfDI), da er für die Datenübermittlung keine Einwilligung gegeben hatte. Als Reaktion darauf erhielt der Tierarzt eine Verwarnung vom LfDI. Ihm wurde vorgeworfen, personenbezogene Daten unrechtmäßig übermittelt zu haben.

Rechtsstreit

Der Tierarzt fühlte sich in seinen Rechten verletzt und entschied sich, juristisch dagegen vorzugehen. Er reichte Klage gegen die Verwarnung ein, wodurch der Fall vor das Verwaltungsgericht Mainz kam.

Die Klage warf grundlegende Fragen zur Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) auf, insbesondere zur Rechtmäßigkeit der Datenübermittlung an ein Inkassounternehmen im Rahmen der Vertragserfüllung und zur Notwendigkeit einer Einwilligung des Betroffenen.

Der Fall hat große Bedeutung für den praktischen Datenschutz, da er zeigt, welche rechtlichen Überlegungen Unternehmer anstellen müssen, wenn sie mit unbezahlten Rechnungen konfrontiert sind und dabei die Anforderungen des Datenschutzes beachten wollen.

Die rechtlichen Fragen für den Gläubiger

Die Klage des Tierarztes gegen die Verwarnung brachte mehrere wichtige rechtliche Fragen auf, die für Tierärzte von großer Bedeutung sind:

  1. Datenverantwortlicher oder Auftragsverarbeiter: Eine zentrale Frage war, ob die tierärztliche Verrechnungsstelle in diesem Kontext als Auftragsverarbeiter oder als eigenständiger Datenverantwortlicher agierte. Dies hat weitreichende Implikationen für die datenschutzrechtliche Verantwortung und die Einhaltung der DSGVO.
  2. Erforderlichkeit der Datenübermittlung: Von besonderer Bedeutung war die Frage, ob die Übermittlung der Daten des Tierhalters an das Inkassounternehmen für die Erfüllung des Vertrags zwischen dem Tierarzt und dem Tierhalter notwendig und damit im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO zulässig war. Dies bezieht sich auf die Datenverarbeitung, die für die Erfüllung eines Vertrags erforderlich ist, an dem die betroffene Person beteiligt ist.
  3. Einordnung von Gesundheitsdaten: Ein weiterer diskutierter Punkt war, ob die übermittelten Daten als Gesundheitsdaten im Sinne des Art. 9 DSGVO gelten und somit strengeren Datenschutzanforderungen unterliegen. Dies hätte bedeutende Auswirkungen auf den Umgang mit solchen Daten in der tierärztlichen Praxis. Zusätzlich spielt beim Tierarzt hier auch noch die Verpflichtung zur Verschwiegenheit nach § 203 StGB (Tierärztliche Schweigepflicht) hinein.
  4. Interessenabwägung als alternative Rechtsgrundlage: Schließlich war zu klären, ob die Datenübermittlung auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Tierarztes gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO - der Durchsetzung seiner Forderungen - gegenüber den Rechten und Interessen des Tierhalters gerechtfertigt war. Würde dies bejaht, dann gäbe es eine weitere Rechtsgrundlage, auf die der Tierarzt die Übermittlung der Daten stützen könnte.

Diese rechtlichen Fragen zeigen, wie komplex die Anforderungen des Datenschutzes im beruflichen Alltag von Tierärzten sein können, insbesondere wenn es um finanzielle Transaktionen und den Umgang mit persönlichen Kundendaten geht. Der Ausgang des Falls sollte daher von Tierärzten genau betrachtet werden, um ein besseres Verständnis für die datenschutzkonforme Handhabung ähnlicher Situationen in der Zukunft zu entwickeln.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Verwaltungsgericht Mainz traf in seiner Entscheidung einige bedeutende Feststellungen, die für Tierärzte und andere Berufsgruppen von Interesse sind. Das Gericht bestätigte, dass die Übermittlung personenbezogener Daten des Tierhalters an die Verrechnungsstelle unter bestimmten Umständen rechtmäßig ist.

Die Datenübermittlung wurde als konform mit der DSGVO bewertet, da sie für die Erfüllung des Vertrags zwischen dem Tierarzt und dem Tierhalter, nämlich die Bezahlung der tierärztlichen Dienstleistung, notwendig war. Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO (Verarbeitung personenbezogener Daten zur Anbahnung und Durchführung eines Vertragsverhältnisses) kann als Rechtsgrundlage dienen.

Das Gericht stellte außerdem fest, dass die übermittelten Daten nicht als Gesundheitsdaten im Sinne der DSGVO gelten. Die Informationen über die Behandlung der Tiere beziehen sich auf die Gesundheit der Tiere und nicht auf die des Tierhalters.

Zudem erklärte das Gericht, dass die übermittelten Daten nicht unter die Verschwiegenheitspflicht des 203 StGB fallen. Die Daten betrafen primär die finanzielle Transaktion und nicht die medizinischen Details der Behandlung.

Dies bedeutet, dass die Datenübermittlung für Inkassozwecke keine Vertrauens- oder Geheimhaltungsinformationen im Sinne des § 203 StGB darstellt, sofern keine detaillierten Befunddaten enthalten sind.

Die Entscheidung des Gerichts gibt Tierärzten klare Richtlinien, wie sie in ähnlichen Situationen mit unbezahlten Rechnungen umgehen können, ohne gegen Datenschutzgesetze zu verstoßen. Sie verdeutlicht, dass sie Maßnahmen zur Durchsetzung ihrer finanziellen Ansprüche ergreifen dürfen, solange sie die datenschutzrechtlichen Vorgaben beachten und die übermittelten Daten nicht in den Bereich der medizinischen Verschwiegenheit fallen.

Fazit und Ausblick

Der Fall bietet wertvolle Einblicke und Orientierung für Tierärzte und andere Berufsgruppen im Umgang mit unbezahlten Rechnungen und dem Datenschutz. Er zeigt, dass Tierärzte in bestimmten Situationen das Recht haben, personenbezogene Daten an Dritte zu übermitteln, um ihre berechtigten Forderungen durchzusetzen, ohne eine explizite Einwilligung einholen zu müssen. Gleichzeitig verdeutlicht er die Grenzen und Möglichkeiten im Rahmen der DSGVO.

Es ist jedoch wichtig, dass Gläubiger einige Punkte in ihrer internen Organisation beachten, um keine weiteren Angriffspunkte für säumige Schuldner zu schaffen. Klar definierte vertragliche Grundlagen und datenschutzrechtlich geprüfte Prozesse im Umgang mit säumigen Schuldnern sind hierbei von zentraler Bedeutung.

Nur so können Tierärzte sicherstellen, dass sie nicht nur hervorragende Dienstleistungen anbieten, sondern auch in Sachen Datenschutz auf der sicheren Seite sind. Gerne beraten wir Sie bei der Umsetzung. Sprechen Sie uns einfach an.

Ein Hinweis zum Schluss:

Das Urteil bezieht sich nur auf den Fall, in dem die Einschaltung einer Verrechnungsstelle als Maßnahme auf eine säumige Zahlung erfolgte. Das Urteil trifft keine Aussage dazu, inwieweit Rechnungsforderungen grundsätzlich an Dienstleister abgetreten werden können und auf dieser Basis personenbezogene Daten übermittelt werden. Diese beiden Vorgänge können datenschutzrechtlich unterschiedlich behandelt werden.

Ralf
...schreibt immer wieder zu Themen, die ihm in der Beratung begegnen und die schreibenswert sind.
Veröffentlicht
20. April 2020
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